Spurensuche

Am 8. Mai 2020 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 75.Mal. Dann wird mal wieder die Frage aufgeworfen, warum so wenig Deutsche Widerstand gegen das NS-Regime geleistet haben – und dann wird mal wieder an die wenigen Helden erinnert: Graf Stauffenberg, Georg Elser oder die Geschwister Scholl.

Dabei gab es damals durchaus auch andere Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens gegen Unrecht und Terror gekämpft haben: die „Unbekannten Helden“. Ihnen ist eine 90minütige Dokumentation gewidmet, die derzeit gedreht wird. Ich darf , mit einem Bein schon im Ruhestand, als Ideengeber und verantwortlicher Redakteur diese Produktion leiten.

Die erste Episode über die württembergische Pfarrhauskette ist jetzt abgedreht. Wieder eine Ko-Produktion mit der wunderbaren Mannschaft von AV Medien in Stuttgart. Großes Thema – großes Budget. Und mit Ulrike Folkerts, Walter Sittler, Karl Kranzkowski und vielen anderen eine wirklich tolle Besetzung.

Ein längst überfälliger Film.

 

Cannes – Klappe, die zweite

Herbstzeit – Erntezeit? Diesesmal kam der Anruf aus Lissabon. Erneut haben wir für eine historische Dokumentation einen „Delphin“ beim „Cannes Corporate Media & TV Festival“ gewonnen. Heuer in der Sparte „Dokudrama“ für den 90minütigen Film „Das Jahr ohne Sommer“, eine bewegende Geschichte über die Begründung des Cannstatter Volksfestes vor über 200 Jahren. Juhuuuuu… Als verantwortlicher Redakteur danke ich dem Team von AV Medien ganz herzlich, das diesen Film für den SWR als Auftragsproduktion hergestellt hat.

Ein schöner Abschluss für mich in meiner beruflichen Karriere. Rente? Nicht ganz, derzeit beginnen die Dreharbeiten für einen weiteren historischen 90er. Es geht um die „Unbekannten Helden“, also die fast vergessenen Widerständler am Ende des Zweiten Weltkrieges. Ein ganz und gar unglaublicher Stoff. Und garantiert wieder Delphin-verdächtig.

Stunde der Wahrheit

Premiere

Morgen Abend ist es soweit: das 90-Minuten Dokudrama „Das Jahr ohne Sommer – wie das Cannstatter Volksfest entstand“ ist endlich im Fernsehen zu sehen (20:15 Uhr im SWR Fernsehen). Diese Woche am Mittwoch war Premiere – im renommierten Metropol-Theater in der Stuttgarter Innenstadt. 600 Premieren-Gäste aus Politik, Wirtschaft und aus der Medienlandschaft, dazu viele Statisten und Unterstützer des Projekts, roter Teppich, ein „Königspaar“ in historischen Kostümen. Viel Augenfutter also – und für viele Zuschauer ein Film mit jeder Menge AHA-Erlebnissen. Die grüne Landtagspräsidentin Muhtarem Aras postete hinterher auf Instagram:“Unbedingt sehen!“. Dankeschön.

Ich bin mächtig gespannt, wie das Fernsehpublikum auf die durchaus harte Kost reagiert: Vulkanausbruch, Wetterkatastrophe, Hungersnot und Auswanderung. Und dann – als „Zeichen der Hoffnung“ – das erste Cannstatter Volksfest.Beeindruckende Bilder, tolle Hauptdarsteller und fast 200 großartige Komparsen.

Danke allen, die an diesem Film mitgewirkt haben. HIER ein kleiner Vorgeschmack – das „making of…“

Und hier ist der komplette Film zu sehen.
https://swrmediathek.de/player.htm?show=22cffb02-bda1-11e8-b070-005056a12b4c

Von wegen Provinz

Aus Stuttgarter Sicht ist bekanntlich alles, was außerhalb des Talkessels liegt… Provinz. Nehmen wir mal den Breisgau und die Kurpfalz aus. Und je weiter man sich vom Nesenbach entfernt, desto tiefer wird diese Provinz. Verächtlich nennt der Großstädter deshalb die wunderschöne Gegend des „Madonnenländchens“ am Rande des Odenwals auch „Badisch Sibirien“. Und dann gibt es ja auch noch Hohenlohe!

HO! HEN! LO! HE! Nein danke, da möchte der vewöhte Snob aus dem Heusteigviertel nicht mal beerdigt werden. Hohenlohe ist Bauernland. Punkt. Und Bauernland ist allertiefste Provinz, oder? Komisch nur, dass der Städter – er kann es sich ja als Architekt oder Grafiker oder Rechtsanwalt leisten – beim Fleischer seines Vertrauens natürlich nur Schweinefleisch vom „Schwäbisch Hällischen Landschwein“ kauft und dafür auch tief in die Tasche greift.

Nur mal so: ohne die Landwirte in Hohenlohe wäre diese Rasse längst ausgestorben. Die Truppe um den Öko-Pionier Rudolf Bühler hat das schmackhafte Landschwein erst gerettet und dann wieder salonfähig gemacht, genauso das Limpurger Rind, schon in vergangenen Jahrhunderten als „Boeuf de Hohenlohe“ gerühmt an französischen Adelshäusern.

Die umtriebigen Bauern aus Hohenlohe machen seit Jahrzehnten von sich reden. Jetzt haben sie einen neuen Coup gelandet. Sie haben kurzerhand das Schloß in Kirchberg an der Jagst gekauft und daraus das Haus der Bauern gemacht, eine ökologisch ausgerichtete Akademie für nachhaltige Landwirtschaft und internationale Vernetzung. Agrarpioniere aus der ganzen Welt treffen sich hier zum Meinungsaustausch im ehemaligen Rittersaal. Welch Ironie der Geschichte! Dort wo früher die Landfürsten tafelten, die die ländliche Bevölkerung ausbeuteten und ausplünderten, haben jetzt die Bauern Platz genommen, um von Hohenlohe aus die Welt ein bisschen besser und gerechter zu machen.

Die Hohenloher waren schon immer Dickschädel. Das zeigte sich im Mittelalter an den revolutionären Bundschuh-Bauern – und das liegt in den Genen. Die Haupstadt ist weit weg, im ländlichen Biotop  genießt man diese Narrenfreiheit. Fast paradiesische Bedingungen für ganz besondere Menschen. Die Landschaft ist ein Traum, die Dörfer und Kleinstädte wirken irgendwie intakt, die Leute kennen und schätzen und brauchen sich. Vernetzung at it`s best.

So landen in dieser kargen Gegend auch Typen, die sich wahrscheinlich nie vorstellen konnten, einmal in Hohenlohe ihren Lebensmittelpunkt zu finden. In Kirchberg an der Jagst – natürlich im Schloß – leben etwa Nina und Klaus Sohl. Ein bezauberndes Paar, weitgereiste Dokumentarfilmer, sie haben sich eine traumhafte Wohnung im Schloßturm gekauft und ausgebaut, und betreiben jetzt im Hof mal eben eine Eisdiele mit wunderbarem Heumilch-Eis. Neulich, beim traditionsreichen Kirchberger Büchermarkt, haben Nina und Klaus tausend Portionen ihres Eises verkauft … und in der Nacht Nachschub für die Besucher am Tag drauf produziert.

Natürlich: die Milch kommt von ausgewählten Landwirten der Gegend, die Nachbarn bringen Obst wie die aromatische Schloßbergbirnen vorbei, das Paar tüfftelt ständig an neuen Kreationen – und arbeitet nebenbei, aber wirklich nur nebenbei, an neuen Filmprojekten. Es ist ein ganz anderes Leben als auf Fuerteventura, wo beide lange gelebt und gearbeitet haben. Aber es ist ein gutes Leben. Im Moment.

Wer so lebt und arbeitet, der braucht gute Nachbarn und gute Freunde. Die haben sie hier reichlich gefunden, etwa Ursel und Antje, die in einem kleinen Weiler in der Nähe das Landgasthaus „Abraxa“ aufgemacht haben oder die Buchhändler, Künstler und Antiquare in der kleinen Stadt auf einem Bergsporn über der Jagst.

Das also soll Provinz sein. Vielleicht, aber es ist ein anderes, ein ehrliches, ein entschleunigtes Leben weit weg von der Stadt.

Und genau deshalb ist Hohenlohe genau die richtige Region, die wichtigen bäuerlichen Szenen für eine neue, große Dokumentation zu drehen. Unter anderem im Freilandmuseum Wackershofen fanden jetzt Dreharbeiten statt für den 90-Minuten-Film „Das Jahr ohne Sommer – wie das Cannstatter Volksfest entstand“. Mehr dazu bald.

Das Jahr ohne Sommer

Eigentlich verdiene ich meine Brötchen mit ganz anderen TV-Formaten: Reisereportagen und Dokumentationen sind mein Metier. Aber jetzt hat mich schon wieder ein historischer Stoff gepackt. Nach dem 5-Teiler „Sagenhafter Südwesten“ geht es in diesem Jahr um eine unglaublich dramatische Etappe der württembergischen Geschichte. Im September 2018 wird das Cannstatter Volksfest – neben dem Oktoberfest in München das zweitgrösste Volksfest der Welt – 200 Jahre alt. Wie es zum Fest überhaupt gekommen ist, das wissen nicht mehr viele. Schon gar nicht die vielen hunderttausend Kids, die sich auf dem Wasen in Dirndl und Lederhosen allherbstlich die Kanne geben und Party feiern.

Gehen wir also mal 200 Jahre zurück – genauer: 203 Jahre. Im April 1815 fliegt in Indonesien der Vulkan Tambora in die Luft. Ein Jahr später erlebt Mitteleuropa das „Jahr ohne Sommer“. Während in Wien der Kongress tanzt, krepieren die gebeutelten Bauern in Württemberg. Es regnet und schneit einen Sommer lang – Weltuntergangsstimmung. Als der „dicke Friedrich“ stirbt (ausgerechnet an einer Lungenentzündung, verursacht durch die Wetterkatastrophe), beginnt die Regentschaft von Wilhelm I und seiner russischen Frau Katharina, einer Zarentochter. Als „Zeichen der Hoffnung“ stiftet Wilhelm das landwirtschaftliche Fest zu Cannstatt. Es soll nicht die einzige fortschrittliche Tat des Paares werden: Suppenküchen, Mädchenschulen, Sparkassen, Hospitäler und die Gründung der Universität Hohenheim werden folgen.

Die Geschichts-Doku ist also eine Zeitreise ins frühe 19. Jahrhundert, macht aber immer wieder auch Sprünge in die Jetztzeit. Wie ist die Situation der Bauern heute? Wie sieht Carl Herzog von Württemberg die Rolle seiner Vorfahren? Wie hat sich das Cannstatter Volksfest bis heute verändert?

Das Drehbuch hat fast 300 Positionen, die ersten Drehs sind abgeschlossen, die Massenszenen werden noch folgen. Und dann geht es monatelang in den Schnitt. Am 19. September muss der Film fertig sein, dann ist große Premiere im Stuttgarter „Metropol“.

Es werden also spannende Monate kommen…

 

 

La rabina reloaded

ENDLICH ! Sie ist wieder da, die Bar aller Bars an der ligurischen Küste. „La rabina“ in Imperia. Fast wie früher…Fulvio und Fabrizio melden sich zurück auf der Bildfläche. Am Ostersamstag haben sie die Saison 2018 eröffnet.

Ungefähr drei Kilometer weiter westlich, also Richtung San Lorenzo al Mare, hat die legendäre Bar und Freiluftkneipe eine neue Heimat gefunden. Hinter dem großen Parkplatz, dort wo das Flüsschen Prino ins Meer mündet und dem Borgo seinen Namen gegeben hat.

Der Reihe nach. Vor ungefähr vier Jahren hatten F & F die Szene in Imperia tüchtig aufgemischt. Ihr „Chiosco La rabina“ an der Uferpromenade Via Novaro war zwei Sommer lang der Hotspot für alle Jüngeren und Jungebliebenen. Coole Drinks, coole Musik, coole Veranstaltungen – und der wohl schönste Sonnenuntergang zwischen Genua und XXmiglia. Erfolg schafft Neider, auch in der Gastronomenszene. Fulvio und Fabrizio mußten schließen, der Kiosk wurde plattgemacht.

Aber jetzt – ein Neustart mit allen Schikanen. Dort, wo einst das kleine Restaurant „Il torre“ beheimatet war, gibt es jetzt wieder Snacks und Spirituosen und Rockn`Roll. Fulvio mixt wie gewohnt und extrem lässig die Drinks, die schweren Maschinen sind in Reihe und Glied geparkt und aus der Box dröhnen ZZTop … und – passend zum Ostersonntag – die Weihnachtssongs von BOSS HOSS. La rabina reloaded – ENDLICH !!!

Obenauf

Es ist ein langer Weg auf das „Dach Liguriens“. Und es gibt nur drei Wege dahin – jeweils schön und beschwerlich. Von Westen her startet man im französischen La Brigue, im Süden, also aus dem Valle Argentina, ist Verdeggia der Ausgangspunkt. Eine Gemeinde wirklich am Ende des Tals auf knapp 1000 Meter Höhe. Von Norden her steigt man in Monesi di Triora ein, dort wo es auch eine von nur zwei Skistationen Liguriens gibt. Der berühmte Monte Sacarello ist genau 2 201 Meter hoch und liegt auf der italienisch-französischen Grenze, der Gipfel schon französischen Departement Alpes-Maritimes. Knapp unterhalb ziert seit  1901 der knapp zehn Meter hohe „Redentore“ den Gipfel, Blickrichtung Ligurien, schliesslich soll die Erlöserstatue die Menschen in der italienischen Provinz Ligurien schützen.

Diese Gegend war immer Grenzgebiet, erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Grenzlinie so festgelegt, wie sie heute noch ist. Und diese Gegend war jahrhundertelang umkämpft. Davon zeugt noch die seitlich des Sacarello vorbeiführende Grenzkammstrasse, die zu Mussolinis Zeiten für den Nachschub an die Front genutzt wurde. Sie kann heute gegen Gebühr und nur mit Jeeps befahren werden.

Grenzerfahrungen machen auch die Fernwanderer, die auf dem Sacarello eine Rast einlegen, bevor es auf der Alta Via dei Alpi Liguri weiter geht. Diese anspruchsvolle Tour führt von Ventimiglia durchs Hochgebirge bis nach La Spezia, immerhin 440 Kilometer sind das. Respekt, wer sich das traut…

Ich war schon von meiner Tagestour bedient. Von Monesi aus rauf und runter waren es annähernd 2 000 Höhenmeter. Und die Abkürzung auf der Diretissima des Skilifts habe ich fast mit einem Herzinfarkt bezahlt. Ich bin aber nicht ganz sicher, ob sich die Rebhühner, die einen Meter vor mir aus dem alpinen Gebüsch aufgeflogen sind, nicht noch mehr erschrockend haben als ich.

Oben erstmal angekommen, raubt die Fernsicht den Atem. Im Rücken die piemontesischen Alpen, im Westen der Blick in die französischen Seealpen und im Süden kann man das Mittelmeer sehen. Ein Traum – der nur kurz gestört wird von den Motorradfahren, die mit ihren Crossmaschinen bis zum Gipfel hochbrettern.

 

 

 

Theater en miniature

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Es gab in Italien des 19. Jahrhunderts eine regelrechte Marotte auf dem Lande, es „denen da“ in den Metropolen mal richtig zu zeigen. Die Landadligen und das reiche Bürgertum in vielen Kleinstädten wollten selbstbewusst beweisen, dass Kultur nicht nur in Mailand,Florenz oder Rom zuhause war. Nein, man hatte seine Klassiker gelesen und die grossen Opern allesamt schonmal gesehen. Und jetzt wollte man das auch vor der eigenen Haustür geniessen. Alles ein bischen kleiner, ein wenig bescheidener – aber immerhin.

Es war die Blütezeit der kleinen Theater. Drei davon hab ich auf meinen Reisen durch Italien bisher gesehen. Das Teatro Rossini in Vasto punktet heute mit einem exquisiten Konzertprogramm, das Teatro Malatesta in Montefiore Conca in den Bergen bei Rimini verblüfft mit Auftritten avandgardistischer Künstler – und das Salvini in Pieve di Teco nimmt für sich in Anspruch, das kleinste Theater der Welt zu sein, zumindest aber das kleinste Schauspielhaus Italiens.

Genau 101 Sitzplätze hat das U-förmige Theater im Parkett und den beiden Rängen. Eine durchaus symbolträchtige Zahl, dachte sich wohl Guiseppe Manfredi, Spross einer angesehenen und wohlhabenden Familie, der 1834 den Antrag zum Bau des Salvini gestellt hat. In den über 180 Jahren seither hat das Mini-Theater allerhand durchgemacht. In den Gründerjahren prächtige Konzerte, zu denen sich die Prominenz aus dem Arroscia-Tal die Ehre gab. Zuletzt, zur Jahrtausendwende, war das Theater ein heruntergekommener Lagerschuppen – aus dem Schmückstück ist ein Schandfleck geworden. Es waren wieder die Bürger von Pieve di Teco, die den Anstoss zur Restaurierung des Salvini gaben, unterstützt von der Provinzregierung in Imperia und gefördert von der Stiftung des Bankhauses Carige. Die Bank war zwar spendabel, das ist aber nicht der Grund für die heutige prekäre Situation des Instituts.

Und Pieve di Teco, die hübsche Kleinstadt mit den wundervollen Arkaden entlang der Hauptstrasse, ist wieder mächtig stolz auf „sein“ Theater, das nebenbei einige bedeutende Architekturpreise für die aufwendige Restaurierung bekommen hat.