Showdown am Strand

Wir müssen uns einem ernsten Thema zuwenden – einem Thema von europäischer Tragweite. Mehr noch, es geht um die Frage, was auf diesem Kontinent wichtiger ist: die Allmacht der EU-Bürokraten in Brüssel oder die Allmacht gut verzweigter Familien-Gangs, die mit aller Macht verhindern wollen, das ihnen etwas weggenommen wird, was ihnen sowieso gar nicht gehört. Und es geht letzthin auch um ein kontinentales Kulturgut – das stabilimento balneare, kurz:das bagno.

Jetzt, da die Saison zuende geht und auch ein Teil der Konzessionen Mitte Oktober wieder auslaufen, beginnt in Italien erneut die politische Diskussion über den Niederländer Frits Bolkestein. Der EU-Kommissär will einen Wirtschaftszweig in die Knie zwingen, der regulär annähernd zwei Milliarden Euro umsetzt, dazu kommt mindestens noch eine weitere Milliarde an Schwarzgeld. Die Pächter der italienischen Strände bangen um eine saisonale Einkommensquelle, die ganzen Generationen von Bagni-Besitzern ein gutes Leben ermöglicht hat. Ab 2015 müssen die Pachtverträge europaweit ausgeschrieben werden und dürfen nicht wie bisher in der Familie einfach durchgereicht werden.

Nehmen wir mal ein kleines Beispiel, ein bagno an der ligurischen Küste, 10 000 Quadratmeter Sand. Dafür zahlt man im Schnitt eine Jahrespacht von etwa 8 000 Euro an die Gemeinde. Bei 100 Garnituren (Sonnenschirm und zwei Liegen) kann man in einer ordentlichen Saison etwa eine halbe Million Euro umsetzen. Die Investitionskosten sind überschaubar, die Personalkosten ebenfalls. Die Familie ist am Start, ob als Bademeister oder in der Küche der kleinen Holzverschläge. Jeder weiß in Italien um die Diskrepanz zwischen Pacht und Erlös, geändert hat sich bisher kaum was, da halten die bagnini zusammen wie Pech und Sonnenöl. Mit Unterkonzessionen, versteigert bei Ebay, haben manche ein ordentliches Zusatzgeschäft gemacht, da verderben auch die milden Gaben im braunen Umschlag an die Beamten in Stadt und Kreis kaum das Geschäft.

Italien hat ja bekanntlich rundum Küste und darauf befinden sich etwa 25 000 Bagni. In Ligurien, so hat mal jemand nachgemessen, sind von den zugänglichen 140 Kilometer Strand nur 20 Kilometer wirklich frei zugänglich, also ohne dass mann so um die 20 Euro pro Tag für sein Plätzchen inmitten von Großfamilien, Kofferradios, Sportzeitungen, Sonnenölduft und Handygeschnatter abdrückt. Aber die bagni gehören in Italien dazu wie der starke Kaffee und der Käse auf der Pizza. Ich habe durchaus lustvolle Erinnerungen an die bagni – die besten Spaghetti Vongole habe ich jeden Tag um die Mittagszeit an einem bagno südlich von Porto San Giorgio verdrückt.

Die Strandpächter haben jetzt für den Oktober einige große Protestaktionen angekündigt- gegen die Regelungswut aus Brüssel. In Forte dei Marmi wollen sie ihre Hütten sogar in Brand stecken, mitsamt den Sonnenschirmen und Liegestühlen. Politisch wird gleichfalls Druck gemacht, auf dem Umweg über Rom nach Brüssel. Sollte die EU-Regelung tatsächlich so kommen wie angekündigt und die Strandabschnitte meistbietend versteigert werden, dann droht den italienischen Küsten eine eklige Mono-Struktur. Reiche Familien wie Benetton, Ferragamo oder Marcegaglia könnten sich den gesamten Kuchen aufteilen. Diese Horrorvorstellung wird derzeit heiß diskutiert an den Bars.

Dann doch lieber 20 Euro pro Tag für die Rossis und die Romeros. Denn ganz ehrlich: mindestens einmal im Urlaub gönnt man sich einen Tag an einem der bagni. Sonst kann man nicht wirklich sagen, man sei in Italien am Meer gewesen.

2 Kommentare zu „Showdown am Strand

  1. Ja, dann sollen doch lieber die Rossis und Romeros weiter davon profitieren, bevor der Kuchen an die ganz Reichen aufgeteilt wird. Ich bin keine Bagno-Freundin, aber einmal im Urlaub gönne ich mir meist doch auch so eine Liege und trinke einen Martini an der Strandbar.

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