Spuren der Waldenser

Das Kirchlein von Neuhengstett

Wenn ein gestandener Malermeister mitten im württembergischen Heckengäu den seltsamen Nachnamen Talom l`Armée trägt und ein Vereinsvorsitzende Francis Guillaume heißt, wenn die Giebel der Häuser an der schnurgeraden Hauptstraße zur Straße zeigen, die Scheunen dahinter akurat im rechten Winkel stehen, die Orte Perousse, Pinache oder Serres heißen, dann ist man im Land der Waldenser. Im Badischen und im Württembergischen gibt es zwischen Weil der Stadt und Karlsruhe einige davon, zum Beispiel Neuhengstett, ursprünglich 1700 als Bourcet gegründet.

In Neuhengstett im Landkreis Calw spricht kein einziger der Einwohner mehr das „Welsch“, das Alpenprovenzalisch, das die Vorfahren im 17. Jahrhundert noch gesprochen haben, in den alpinen Hochtälern an der Grenze zwischen Savoyen und dem Piemont, im Val Susa oder im Val Pragela, wo einige hunderte Jahres später die Olympischen Spiele von Turin stattgefunden haben. Die Waldenser sind Kirchenflüchtlinge, von der katholischen Amtskirche als Ketzer verfolgt und geschlachtet. Eine Gruppe aus diesen Tälern ist 1699 erst in Hessen, dann im Württembergischen gelandet, und hat die kleinen Siedlungen wie Bourcet gegründet, das heute Neuhengstett heißt und logischerweise Teilgemeinde von Althengstett ist.

Der König von Württemberg hat damals durchaus Interesse an tüchtigen Bauern. Sein Land ist entvölkert, erst vom 30jährigen Krieg, dann von der Pest. Es entstehen kleine Siedlungen, wie am Reißbrett gezogen. Geblieben sind nur noch die Namen vieler Einwohner, einige lockere Kontakte zu den letzten Waldensern in Frankreich und Italien, ein kleines Museum – und die Kartoffel. Die haben erst die welschen Bauern in Württemberg sesshaft gemacht.

4 Kommentare zu „Spuren der Waldenser

  1. In der Gegend erinnern auch noch zahlreiche Familiennamen an die Waldenser: Gille, Jourdan, Baral, Jouvenal und viele mehr. Aus Neuhengstett gibt es eine Waldensersage, aus Alemannia, Zeitschrift für Sprache, Literatur und Volkskunde des Elsasses, Oberrheins und Schwabens, Band 7 (1879):

    Neuhengstetter Überlieferung

    Die Einwoner von Neuhengstett sind die Nachkommen einer im Jahre 1700 gegründeten Waldenserkolonie, die man deshalb heute noch die Welschen heißt und die jezt noch ire französisch-piemontesischen Familiennamen (Ayasse, Baral, Charrier, Héritier, Jourdan, Soulier, Talmon, Talmon l’armée etc.) tragen. Dise Welschen schiden sich ursprünglich in die vom guten Blute und die vom bösen Blute, welch leztere man für Hexenmeister und Hexen hielt. Der Ort ist so angelegt, daß er aus zwei rechtwinklig auf einander stoßenden Straßen bestet, in deren Kreuzung die Kirche ligt. In der einen Straße, der gegen Simmozheim, wonten die vom guten Blute, wärend die vom bösen Blute ausschließlich die andere Straße, gegen Althengstett und Calw, bewonen musten. Diser äußerlichen Trennung entsprechend bestand zwischen beiden Teilen lange Zeit auch kein Connubium. Noch länger hat sich dise Eigentümlichkeit in den übrigen Waldenserkolonien Wirtembergs, wie in Pinache und Serres erhalten, namentlich in dem lezteren Orte, wo sich dieselbe heute noch nicht ganz verwischt haben soll.
    Mündlich von Neuhengstett, Ortsvorsteher

  2. Also nicht nur in Preußen haben sich die Glaubensflüchtlinge aus Frankreich niedergelassen. Gerade am Wochenende bin ich noch durch ein Dörfchen mit dem schönen Namen Beauregard gefahren …

      1. Und in Hessen und Südniedersachsen gibt’s die französischen Zuwanderer im 18. Jahrhundert. Wo der Dachdeckermeister Mazarin heisst, jawoll…

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: