Gedanken an der Leine

Immer wieder denke ich daran, dass ich auf meine alten Tage irgendwo leidlich zurückgezogen die Zeit finde, meine Gedanken zu sortieren, wie an einer Wäscheleine aufzuhängen, mit bunten Klammern, neu zu sortieren, in Reihe zu bringen, auf die Reihe zu bringen. In letzter Zeit wird dieser Gedanke übermächtig. 

Ich bin so was wie ein Fast–Schreib-Junkie. Gezwungenermaßen.

Einzelne Gedanken oder Fakten oder Recherchen, rasch in den PC gehauen, Gebrauchstexte eben. Gebraucht werden sie in meinem Job, in dem Bilder und Töne eine größere Rolle spielen als der verbindende Text zwischen Episoden oder Statements. Schnell dahingeworfene Texte verblüffen die Kollegen. Das liest sich oft gut, erklärt, erläutert, vertieft, passt schon.

Bis heute verzweifle ich manchmal daran, Gedanken nicht zu Ende führen zu können. Das war schon in meinem früheren Leben bei der Zeitung so. 90 Zeilen, mal 120 und vielleicht noch ein Kommentar. Punkt. Einmal habe ich die Titelseite alleine geschrieben, jede Zeile – der Lokalchef war damals im Urlaub, ich stolz wie Oskar. Und eine sechsseitige Reportage über ein linkes Bauerntheater auf der Alb – das war der Himmel.

Schreiben als Wassily ist eine Fingerübung. Nicht einrosten. Abends nach der Arbeit – 20,30 Zeilen, rasch erledigt, von der Seele geschrieben. Ich merke, wie sich auch dabei das Bild langsam, aber sicher in den Vordergrund schiebt. Es ist leichter ein gutes Bild knipsen – wenn man den Blick fürs Motiv, den Ausschnitt und das Licht hat – als Stimmungen in Worte zu fassen, ohne dabei in Floskeln zu verfallen, die man tausendmal gehört und gelesen hat.

Ich fahre nächste Woche wieder nach Ligurien, zum dritten Mal in diesem Jahr. Ich werde mich dort niederlassen. Zeitweise. Im monatlichen Wechsel zur Arbeit. Schreiben. Richtig.

Nur so ein Gedanke.

8 Kommentare zu „Gedanken an der Leine

  1. Und hat sich dein Traum inzwischen konkretisiert? Er hört sich gut an!
    Ich kann meine Gedanken am Meer oft besser sammeln, sortieren, in Worte fassen, ihnen freien Lauf lassen. Wahrscheinlich, weil ich am Meer ruhiger bin.

  2. Ah! Ein neuer Lebensraum, ein neues Kapitel. Ich wünsch Dir Muse, Muße und das gewisse Maß an »Muß«, ohne das es nicht geht.
    Und natürlich beneide ich (im Limbo des Lektorierens) Dich um die bedingungslose Entscheidung fürs Schreiben.

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