Naegelis Erben

Hand aufs Herz: wem sagt der Name Harald Naegeli noch was ? Grübel, grübel… Das war doch der, der… Genau: der „Sprayer von Zürich“, der mit seinen Strichmännchen die bürgerlich-eidgenössische Seele in Wallung und die Behörden in Aufruhr versetzt hat.

Das ist ziemlich genau 30 Jahre her. Damals wird Naegeli wegen Sachbeschädigung zu neun Monaten Haft verurteilt, setzt sich nach Deutschland ab – und sprayt als erste Aktion in der Freiheit bei seinem Kumpel Klaus Staeck unter dem Beifall des langhaarigen Publikums öffentlich und vor laufender Kamera ein Strichmännchen an eine Heidelberger Hausfassade. Naegeli zieht weiter, nach Düsseldorf, trifft Beuys, wird später verhaftet und muss 1984 seine Strafe dann doch noch absitzen. Heute lebt der ohnehin scheue Naegeli völlig zurückgezogen, eine Kontaktaufnahme ist noch schwerer als damals.

Man mag lachen über den Eklat, den Naegeli um das Jahr 1980 in Zürich verursacht hat. Aber das war der Beginn der Streetart in Mitteleuropa. Inzwischen sind einige seiner damaligen Werke teuer restauriert und damit als Kunst offziell anerkannt.

Streetart Zürich, Niederdorf

Naegeli hat viele Erben in Zürich. In der Stadt sind großartige und großflächige Werke zu sehen. In der jüngsten Zeit aber, beklagt die Fotografin Gabriela Domeisen, sind die Saubermänner wieder auf dem Vormarsch. „Für e schöns Züri“, die Aktion der Stadt, macht die Streetart zunehmend platt. Kaum gesprayt, schon wieder überpinselt. Deshalb nennt Gabriela auch ihre neueste Fotodokumentation genau so. Sie kämpft dafür, dass Streetart endlich als das anerkannt wird, was es für viele ist – vitaler Lebensausdruck einer modernen City.

Die Doppelmoral findet sie unerträglich: „Einerseits werden die Künstler von den Zuschauern geliebt, und andererseits vom Gesetz verfolgt. Das lässt sich in der Stadt Zürich beobachten, wo Street-Art-Führungen angeboten und gleichzeitig hohe Bussen verteilt werden“, hat sie neulich in einem Interview gesagt. Harald Naegeli hätte seine Freude an ihr.

Streetart Zürich, rote Fabrik

3 Kommentare zu „Naegelis Erben

  1. Gabriela hat vorgeschlagen, dass die Stadt die Streetart-Werke kuratieren sollte; fragt sich nur, wie dieses Kuratorium besetzt werden sollte? Sicher nicht nur mit städtischen Angestellten.

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