Das schwäbische Tadj Mahal

Kuppel in der Grabkapelle

„DIE LIEBE HÖRET NIMMER AUF“ steht, leicht theatralisch, über dem Eingang der Grabkapelle auf dem Rotenberg oberhalb von Untertürkheim. Der Rotenberg ist DER Berg der Schwaben schlechthin. Immerhin war hier mal die Stammburg der Wirtemberger. Heute blickt man von hier oben auf die vollgeklatschte Industrielandschaft entlang des Neckars – Hafen, Daimler, so weit das Auge reicht, in der Ferne der Killesberg.Blicken wir lieber in die Geschichte des schwäbischen Tadj Mahal, eine hollywoodreife Verstrickung von Liebe, Leidenschaft und Betrug und ein interessanter Ausflug in die alten Verbindungen zwischen Württemberg und Russland.

Die Hauptdarsteller:
Kronprinz Friedrich Wilhelm Carl von Württemberg, der spätere König Wilhelm I, ein verschlossener und „sperriger Monarch“, erst reformfreudig, im Alter ein pedantischer Paragraphenreiter, den Frauen immer zugeneigt. Und: Katharina Pawlowna Romanowa, Großfürstin von Russland, Cousine von Wilhelm und in zweiter Ehe (für beide) seine Frau, eine damals durchaus übliche, strategische Heirat in der Zeit nach dem Wiener Kongress.

Ersparen wir uns die mühsame Betrachtung  dieser kurzen Ehe – schauen wir lieber auf das abrupte Ende, dem wir Stuttgarter die Grabkapelle zu verdanken haben. Katharina ist in dieser Zeit so etwas wie die Mutter Teresa der verarmten Schwaben, dem Völklein, das durch Mißernten und regelmäßige Wetterkapriolen wie 1816, dem Jahr ohne Sommer, noch mehr Hunger als sonst leidet. Königin Katharina plant, leitet und finanziert den zentralen Wohltätigkeitsverein, gründet Stift und Hospital, ist die geistige Mutter der Sparkassen, organisiert Armenspeisungen und führt den Turnunterricht für Mädchen ein.

Das Volk, so ist in allen Veröffentlichungen nachzulesen, verehrt diese Katharina fast wie eine Heilige. Ihr überraschender Tod im Januar 1819 macht sie zur Überfrau in Württemberg. Sie stirbt an einer Grippe, verbunden mit den Folgen einer Gürtelrose. In Wirklichkeit, da sind sich die Quellen einig, rastet sie regelmäßig aus, weil der Gatte Wilhelm seine Finger nicht von der der italienischen Adligen Blanche de la Flèche lassen kann. Sie erwischt die beiden in flagranti, stürzte Hals über Kopf hinaus in die kalte Winternacht… Das Ende kennen wir.

Wilhelm I, der später weitere Romanzen unterhält, trauert angeblich schwer, macht sich aber mehr Sorgen um sein Renommee und um die Beziehungen zu Rußland. Erst lässt er das Belastungsmaterial verschwinden, Katharinas persönliche Briefe, dann baut er auf dem Rotenberg die prachtvolle Grabkapelle für Katharina, in der  auch er später begraben wird.

Katharina ist bis heute eine Lichtgestalt der württembergischen Geschichte. Der Weg zur Grabkapelle, gebaut vom italienischen Baumeister Giovanni Salucci, ist wie ein Pilgerweg. Und die Grabkapelle ist in der Neuzeit Schauplatz eines Krimis geworden. Thomas Hoeth hat in der Grablege eine bacchushafte Orgie angesiedelt, die zu einem wirren Spiel der Gefühle und Erinnerungen führt.

Katharina & Wilhelm I

11 Kommentare zu „Das schwäbische Tadj Mahal

  1. Ach, die schrecklichen Geschichten hinter all den schönen Bauten! Danke für das Geschichtsstündchen; auch wenn ich vielleicht doch noch den Krimi lesen muß.

  2. Oh ja, ich erinnere mich. Ein hübsches Fleckchen Erde ist das. Und von den inbrünstigen Inschriften war ich entzückt. So viel Pathos sieht man nur mehr in brasilianischen Telenovelas.

  3. im Grunde ist es ja ein Frevel gewesen, die Stammburg der Württemberger abzureissen… Aber schön ist es trotzdem.

    Meine Urgroßmutter hat in der Nähe gewohnt, sie hatte noch ein Dienstmädchen. Dies sagte eines Tages, ich habe gehört, hier soll es eine wunderschöne Kapelle geben. Meinte die Urgroßmutter nur: Schau mal aus deinem Zimmerfenster, du schaust direkt drauf.

      1. tja, für mich hat’s leider nicht zum Dienstmädchen gereicht, leider, leider.
        Ich glaube zur Zeit meiner Urgroßmutter war es durchaus noch üblich, eine „Perle“ zu haben.

        dass ich aus dem edlen Geschlecht der von und zu Sachensucher stamme, glaube ich auch immer dann, wenn ich meine Autoschlüssel suche.

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