Der grün-weiße Himmel über Wien

So feiert Rapid
So feiert Rapid

Es ist an der Zeit, den Hut zu ziehen: vor dem österreichischen Fußball. Noch vor drei Tagen habe ich mich nur wohlwollend-gönnerhaft über Rapid Wien geäußert. Heute Abend bin ich ziemlich begeistert und bedauere es (nicht nur aus diesem Grund…), zwei Tage zu früh zurück nach Deutschland geflogen zu sein. Das war ganz großer Sport, den die Grün-Weißen in der Europa-League gegen den Hamburger SV gezeigt haben. 3 : 0 für die Hütteldorfer – Respekt, Kompliment, Hochachtung !

 

Ich habe mir das Spiel im deutschen Fernsehen (der ORF hat es ,sehr zur Empörung der österreichischen Öffentlichkeit, nicht auf die Reihe gebracht…) zusammen mit meinem Sohnemann angeschaut – der ist Fußballexperte… und Fanexperte dazu. Der war nicht nur sprachlos über den Budenzauber, den die grün-weißen Fans veranstaltet haben, sondern er hat mir nebenbei auch noch einiges über die Rapidler erklärt. Insofern muß ich meine Bemerkung über die „Ultras 1988“ doch zumindest relativieren.

Sohnemann hat mich auch auf einen Artikel von Eric Wegner von der Antirassismus-Gruppe Wien aufmerksam gemacht, den ich hier gerne in Ausschnitten zitiere:

„In den 1980er Jahren hatte es eine systematische Intervention von Neonazis in die Rapid-Fanszene gegeben, was sich in rechtsextremen Parolen äußerte(…) . Auch bei dem 1988 gegründeten Fanklub „Ultras Rapid“ spielten in der Anfangsphase einige Rechtsextreme eine Rolle. Das hat sich aber, in den 1990er Jahren und auch mit einem Generationswechsel bei den Ultras, zunehmend geändert. Die Ultras, die die Kurve bei Rapid ganz klar dominieren, haben in den letzten Jahren, in Einklang mit den meisten anderen Fanklubs, rassistische Ausfälle im Rapid-Fansektor systematisch bekämpft.( …) In rechten Fanforen wird darüber gejammert, dass die Situation bei Rapid so schlimm sei, dass „wenn man nur ein paar Affenlaute macht, wenn ein Neger am Ball ist“ von den Ultras sofort Schläge angedroht bekommt. Als im April 2008 einzelne Neonazis auf der Rapid-Westtribüne ein kleines Transparent mit der Aufschrift „Alles Gute 18“ (18 als Code für Adolf Hitler) aufhängen wollten, wurde es von den Ultras umgehend entfernt und zerstört. Die Ultras beteiligten sich in den letzten Jahren auch an antirassistischen Fanturnieren.

(…) Wenn sie bei Spielen gegen Red Bull mit Spruchbändern wie „Working Class Football against Red Bull“ auftreten, ist das politisch und zeigt – wenn auch diffus ausgeprägtes – Klassenbewusstsein gegen den Großkapitalistenverein aus Salzburg. Wenn die Ultras „Kommerz und Repression“ kritisieren und sich gegen die EM 2008 und den patriotischen Konsens stellten, dann ist das politisch im positivsten Sinn; den Mut dazu hatten schließlich nicht viele Fanklubs.

(…) Auch nach der EM gab es von Seiten der Rapid-Fanklubs immer wieder gute Initiativen. Als im Dezember 2008 die griechische Polizei einen Jugendlichen erschoss und es zu einer wochenlangen linken Jugendrevolte kam, machten die Rapid-Fans eine Solidaritätsaktion in der Form von Spruchbändern in deutscher und griechischer Sprache. (…) In der neuen Saison gab es bereits mehrmals Proteste gegen die rechte Innenministerin Maria Fekter und die von ihr geplante Verschärfung des Pyrotechnik-Gesetzes; die Rapid-Fanklubs verstoßen systematisch gegen das nun bereits bestehende Verbot und werden deshalb von den unterwürfigen ORF-Reportern regelmäßig als Gewalttäter hingestellt. Nachdem die österreichische Polizei im August 2009 einen 14-jährigen Supermarkteinbrecher durch einen Schuss in den Rücken umbrachte, zogen die Rapid-Fans beim Auswärtsspiel in Ried ein Spruchband mit der Aufschrift „Polizisten sind Mörder“ auf (Aufregung im Boulevard folgte, so sprach etwa die Gratiszeitung „Heute“ von einer „Provokation“ der „Rapid-Hooligans“).“

Natürlich, darüber ist sich auch Wegner im Klaren, gibt es auch unter den Rapid-Fans (wie bei allen organisierten Fußballfans) Dummköpfe, Rassisten, Sexisten oder notorische Gewalttäter. Aber ich denke, nachdem ich eine gewisse Sympathie für die Hütteldorfer unschwer unterdrücken kann, das wird heute Abend in Wien keine Rolle spielen. Zu groß wird die Freude in der ganzen Stadt sein, in einem wichtigen Spiel mal wieder eine deutsche Mannschaft ordentlich nach Hause gegeigt zu haben.

Viel Spaß also beim grün-weißen Abend in Wien.

Ein Kommentar zu “Der grün-weiße Himmel über Wien

  1. Nun denn, werde ich also mein einschlägiges Bild der Ultras revidieren oder zumindest nochmal kritisch hinterfragen müssen. Das mach ich sogar gerne.
    Ich frage mich jedoch in erster Linie immer: Warum greifen die Ultras, wenn ihnen wirklich an einer Imagekorrektur gelegen ist, nicht zu einem einfachen, wie aussagekräftigen Schritt und streichen das 88 aus ihren Kürzel? UR88 – so stehts an jeder zweiten Hausecke Wiens an die Wand gesprayed. Und bei 88 denkt man natürlich zwangsläufig an den rechtsextremen Code für „Heil Hitler“, ob der Verein 1988 gegründet wurde ist dabei ziemlich belanglos. Liebe Ultras, streicht die 88 – macht am besten eine schöne Zeremonie daraus als Zeichen nach außen. Dann kriegt die Öffentlichkeit auch was davon mit und ich muss mich nicht mehr so fürchten 🙂
    Nun, jedenfalls freut mich, was ich in Deinen Artikel gelesen habe.

    Fußball und das Fußballfieber basiert halt immer noch vorrangig im Nationalstolz. Ich wünsche mir Fans, denen kein Zacken aus der Krone fällt auch mal bei einem Foul der eigenen Mannschaft zu buhen, die es nicht nötig haben den Gegner vom Feld zu johlen, wenn er ins eigene Stadion einläuft usw. Ist das nicht auch das genaue Gegenteil von „Sportlichkeit“? Ich wünsche mir gegnerische Fans, die sich gemeinsam in erster Linie für ein gutes Match begeistern können, und erst in zweiter Linie für ihre eigene Mannschaft. Eine Utopie? Seh ich das zu eng? Maybe – aber solange es nicht so ist, wird das wirkliche Fußballfieber bei mir wohl keinen Einzug halten.

    Gestern Abend bin ich noch mal durch die Stadt spaziert, um zu sehen, wie sich das Match auf die Stimmung ausgewirkt hat. Es war eigentlich relativ ruhig. Die grünen Trickots schon überall sichtbar, aber deren Träger wirkten durch die Bank einfach nur noch ausgepowert und selig. Die Partyenergie scheinen sie vollständig im Stadion verausgabt zu haben.
    Bloß im Bermudadreieck vorm Krah Krah gaben sich eine Handvoll Rapid und HSV Fans Singduelle. „Hamburg, wir hören nichts!“ gegen das Konter der Blauen. Doch im Endeffekt einigten sie sich Arm in Arm auf einen gemeinsamen Gegner und gröhlten freudestrahlend unisono „Ziagts den Bayern die Lederhosn aus – Lederhosn aus – Lederhosn aus …„. Da war man sich ja nu wieder einig!

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