Mörderische Plätze(3): Gaisburg

Thomas Hoeth vor dem Friedhof Stuttgart-Gaisburg
Thomas Hoeth vor dem Friedhof Stuttgart-Gaisburg

Einen guten Regionalkrimi zu schreiben, ist eigentlich ziemlich einfach. Wichtig ist die starke Geschichte und die Verortung. Regionalkrimis folgen dem Prinzip des „ARD Tatort“. Wenn Lena Odenthal ermittelt, sucht der Zuschauer auch gleich in seinem fotografischen Gedächtnis nach der Stelle, wo die Szene gedreht worden sein könnte.

„Der Himmel über der Königsstraße sah aus wie eine brodelnde Backmischung.
Ein aufgeblähter Marmorkuchen, braun und klebrig.“ So beginnt der Roman „Herbstbotin“ des Journalisten Thomas Hoeth. Sehen ihr das Bild jetzt vor euch ?

Thomas Hoeth ist ein großartiger Geschichtenerzähler. Im Fernsehen wie in seinem Krimi- Erstling. Seine TV – Reportagen sind kunstvolle, mehrschichtige Erzählungen aus sozialen und gesellschaftlichen Brennpunkten. Dafür ist er mehrfach preisgekrönt worden, zuletzt mit dem Fernseh-Preis der Caritas in diesem Jahr.

In seinem Debut „Herbstbotin“ baut Hoeth eine kunstvoll gedrechselte Handlung rund um den Privatdetektiv Amon Trester. Trester war Zielfahnder beim Landeskriminalamt, ein mysteriöser Schusswechsel bei einem Sondereinsatz hat ihn aus der Bahn geworfen. Jetzt arbeitet er als Privatschnüffler, hin und hergerissen zwischen Therapie, Psychopharmaka, zerfleischenden Selbstzweifeln und einem neuen Auftrag. Eine Recherche im Auftrag von Katja Gütle, SWR- Redakteurin, die ihre Mutter in einem Archivfilm gesehen haben will. Ihre Mutter, eine ehemalige RAF-Terroristin, wirklich tot oder nur untergetaucht ?

Trester taucht wieder ein in seine alte Berufswelt. Er war einer der Besten beim LKA, nun stehen seine ehemaligen Weggefährten auf der Gegenseite. Es beginnt ein Katz – und – Maus -Spiel mit rasanten Szenenwechseln und einem ungeheuerlichen Tempo. Ermittlungen in der Stuttgarter Justizszene, ein Polizist auf Abwegen im Domina-Club, eine atemlose Hetzjagd im Hinterland des Bodensee, verfolgt von terroristischen Gesinnungsgenossen und von der Polizei gleichzeitig, dazwischen etwas Entspannung und die Erleuchtung im Kloster Beuron – und dann der Showdown im Stuttgarter Westen.

Thomas Hoeth führt den Leser in die unbekannten Winkel der Stuttgarter Stadtlandschaft und in die hintersten Winkel menschlicher Abgründe. Der Zeitbezug zur RAF wirkt selten gekünstelt, viel wichtiger ist für die Story die Aufdeckung eines abgekarteten politischen Ränkespiels um Katjas Mutter.

Ein gelernter Zeitungsmann. Ein Schreiberling – das ist in diesem Fall ein Kompliment. Hoeth kann mit Sprache spielen, kann die Handlung beliebig forcieren und wieder entschleunigen, bricht geschickt Action mit fein gesponnenen Psychogrammen, formt die Charaktere seiner Protagonisten immer weiter aus.

„Herbstbotin“ ist lesenswert, mehr als eine schnelle Urlaubslektüre. Für einen Krimi-Erstling startet der Silberburg-Verlag aus Tübingen mit einer ungewöhnlich hohen Auflage. Es dürfte kein Wagnis sein, Thomas Hoeth hat schon die erste Lesereise durchgeplant…. und die Idee für seinen zweiten Trester-Roman im Kopf.

Thomas Hoeth „Herbstbotin“, Silberburg-Verlag-Tübingen, 9,90€ 

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2 Kommentare zu „Mörderische Plätze(3): Gaisburg

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